Markus ist in einer Gemeinde groß geworden und zum Glauben gekommen. So weit, so typisch. Seine Story ist aber schon etwas ungewöhnlicher. Seine Frustration hat nicht gewonnen. Er ist ein positiver Rebell!
STEPS: Hey Markus, danke, dass du uns bisschen über deine Gemeindezeit erzählst. Welche Bilder hast du vor Augen, wenn du an deine Gemeinde denkst als du zwischen 14 und 18 Jahre alt warst?
Markus: Ich hab träge Gottesdienste vor Augen. Ernste, bedrückte Stimmung. Starre Strukturen. Alte Lieder. Predigten, die wenig mit meinem Leben zu tun hatten. Junge Familien, die gegangen sind. Sture Leute und auch viel Oberflächlichkeit. Wenig dynamische Entwicklungen.
STEPS: Wie hast du dich damals gefühlt?
Markus: Ich war frustriert und enttäuscht. Hab mich selbst abgeschirmt – zwar immer nett die Hand gegeben, aber die Leute wussten nur wenig von mir. Ich war in meinen Gedanken im Gottesdienst abwesend. Hab mich auf den Nachmittag gefreut, entweder aufs Zocken oder nen neuen Film – das war so das Highlight. Ich kannte Gemeinde aber eben auch NUR so. Auf Freizeiten war es immer ganz anders. Das hat mich frustriert und ich hab mich gefragt: Wozu gibt’s diese Gottesdienste überhaupt? Was hat das mit meinem Leben zu tun?
STEPS: Hattest du Lust, deine Gemeinde aufzugeben und irgendwo anders hinzugehen? Oder komplett wegzubleiben?
Markus: Ich hatte mir fest vorgenommen wegzugehen. Was ich aber nie wollte war vom Glauben wegzukommen. Ich wusste, dass Gemeinde wichtig ist, aber mit meiner Gemeinde konnte ich nicht so viel anfangen und hatte mir echt vorgenommen mit 18 oder so zu gehen. Aber es kam dann doch anders.
STEPS: Erzähle uns von dem Wendepunkt.
Markus: Wir hatten keine Jugend und ich hatte fast niemanden in meinem Alter – keine Freunde oder so. Jemand aus der Gemeinde entschied sich einfach Jugendarbeit zu starten. Das hieß dann: Ich, als 15-jähriger, zusammen mit 3-4 anderen. Die Älteste war 30! Das war schon etwas krass. (lacht)
Der Jugendleiter hatte aber trotzdem ein Herz und wollte das machen. Es wurde unser Motto, dass Gemeinde vom Mitmachen lebt. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, Gemeinde etwas umzukrempeln – schön geduldig. Es war echt dieser Jugendmitarbeiter, der in mir neue Energie entfacht hat, dass doch etwas bei Gemeinde geht.
Wir haben angefangen in unsere Gottesdienste zu investieren. Am Anfang haben wir nur wenig Veränderung gesehen. Wir sind aber dran geblieben, haben Gespräche geführt und auch persönliche Kontakte zu schwierigen älteren Personen gehalten und gepflegt. Wir haben uns über Gemeinde unterhalten. Diese Investition hat über Jahre ne neue Dynamik reingebracht und ne Jugendarbeit entstehen lassen, die innerhalb der Gemeinde sehr ausgeprägt ist.
STEPS: Was bedeuten dir heute Gemeinde und die Gottesdienste?
Markus: Wenn ich so zurückschaue kann mir keiner erzählen, dass er keine örtliche Gemeinde braucht. Ich spüre einfach, dass Gemeinde der Dreh- und Angelpunkt für geistliches und christliches Leben ist. Das geht schlecht in Freizeiten, Events und Highlights, sondern im Alltag. Und das bedeutet mir das: Jesus hat sein Blut gegeben, damit Gemeinde entstehen kann. Gemeinde ist also ne tiefe Gemeinschaft. Gemeinde ist mein Lebensraum. Gemeinde ist mein größtes Hobby geworden, weil ich da meine Gaben wirklich ausleben kann. Unbeschreiblich – nur erlebbar. 🙂
Aber natürlich ist jetzt nicht alles toll bei unseren Gottesdiensten. Wir sind immer noch aufm Weg. Manches würde ich immer noch anders machen oder austauschen. Ich merk aber, dass sich vieles geändert hat: Atmosphäre, Miteinander, Tiefe, Beteiligung. Die alten Strukturen sind aufgebrochen und wir haben echte Beziehungen und nicht nur Veranstaltungen. Wir haben echtes Gemeindeleben. Das ist ein riesengroßer Segen. Deswegen ist Gemeinde für mich total wichtig und groß geworden
STEPS: Was kann ein Jugendlicher in deiner Situation von damals machen? Muss man warten, bis ein guter Jugendleiter kommt? 😉
Markus: Also sich zusammenzutun ist auf jeden Fall nicht schlecht. Das Wichtigste ist für mich aber: „Investier dich, statt zu konsumieren“. Wenn du anfängst die Gemeinde vor Ort als DEINE Gemeinde zu sehen, wird Gemeinde bewegt. Du solltest dich nicht irgendwie enttäuscht und resigniert zurückziehen, sondern dich neu empören, positiv rebellisch sein und auch mal was diskutieren. Such Gespräche und Beziehungen. Du zeigst damit, dass du nicht über alles meckern willst, sondern etwas anpacken möchtest. Das ist n Unterschied und wichtig.
Steh nicht um Gemeinde rum wie am Fußballfeld und kritisiere deine Mannschaft wie ein Zuschauer, sondern springe aufs Feld und misch mit. Ich kann ja nur etwas verändern, wenn ich mitmachen will.
Außerdem zählt sehr viel Liebe und Geduld. Das klingt zwar so nach den Standardantworten, aber ich musste es selber lernen: Man kann nicht die Anti-Veränderungstypen schnell verändern. Wir hätten diese Typen mit unserem Veränderungswillen schon längst umgehauen. Deswegen braucht man wirklich Geduld. Bei mir waren es Jahre. Jahre, in denen sich wirklich etwas verändert hat.
Also noch mal kurz: Liebe, Geduld, Investieren und identifizieren mit Gemeinde.
STEPS: Herzlichen Dank für das Interview!