Liebe buchstabiert man Z.E.I.T.

Als ich frisch im Mittleren Osten ankam verstand ich zunächst nicht, warum Menschen so viel und vor allem so lange miteinander abhängen. Man kann stundenlang mit einem Freund zusammen sein, ohne dass es wirklich zu einem tiefen Gespräch kommt – allein das Beisammensein ist das Wichtigste. 

Eine Begebenheit mit der Familie eines Kollegen hat mir geholfen, diese Kultur besser zu verstehen:
Stellt euch vor, wir fahren zwei Stunden in eine Stadt und verbringen dort den ganzen Tag zusammen. Wir gehen zusammen Essen, unterhalten uns ausgiebig und besuchen gemeinsam Sehenswürdigkeiten. 

Am Abend – wohlgemerkt um 23 Uhr – beginnt dann plötzlich ein Gespräch darüber, wie mein Kollege und seine Familie mit ihren sozial benachteiligten Nachbarn umgehen sollten und ob das Konzept von »Kher« (arabisch: Gnade erwerben durch gute Taten) für sie als Familie noch gültig sei.

Obwohl mir schon fast die Augen zufielen, merkte ich: Das war der Moment, auf den ich monatelang gewartet hatte. Endlich ergaben all die Stunden gemeinsamen Arbeitens, al der Tee, den wir getrunken hatten, all die gemeinsamen Mahlzeiten einen Sinn. Ich konnte sehen, wie der Heilige Geist in und durch ihr Leben wirkt – wie er sie herausfordert, ermutigt und tiefer in die Liebe des Vaters zieht. Es stellte sich heraus, dass die ganze Familie vor nicht allzu langer Zeit zum Glauben an Jesus gekommen war. 

Ich beginne zu verstehen, dass der Nahe Osten vielleicht ganzheitlicher ist, als wir denken. Berührungspunkte sind hier Vertrauenspunkte – mit anderen Worten: »LIEBE« schreibt man hier »ZEIT«. Die Art und Weise, wie wir hier unseren Nächsten lieben, besteht darin, Zeit mit ihm zu verbringen – ganz viel Zeit. Das ist der beste Weg zu Tiefe und Vertrauen.

Ich stelle mir vor, wie viel Zeit Jesus mit seinen Jüngern verbrachte, wie sie gemeinsam viele Kilometer liefen, und er dann genau im richtigen Moment ein Gleichnis oder eine geistliche Wahrheit weitergab.

Möge es uns immer mehr gelingen, Menschen so ganzheitlich zu sehen wie Jesus – mit all ihren körperlichen, emotionalen und geistlichen Bedürfnissen.

Dieser Beitrag wurde von frontiers zur Verfügung gestellt.