Weil O’Bros auf Platz 1 sind, sind alle Christen jetzt rechts...?
„O’Bros in den Charts – und plötzlich gilt: Wer die hört, ist rechts.“ So oder ähnlich klangen viele Kommentare zur Chartplatzierung kurz vor Ostern. Auffällig oft wurde gefordert: “Christen, distanziert euch!” Oder: “O’Bros, distanziert euch!”
Was kann man daraus erkennen? Unsere Gesellschaft denkt irgendwie nur noch in Extremen. Du bist entweder für oder gegen. Schwarz oder weiß. Richtig oder falsch. Und wer sich nicht einordnet, wird eingeordnet: Weil die O’Bros mit den “falschen Leuten” mal in einem Raum sitzen, müssen sie verdächtigt werden. Weil die “falschen Leute” ihre Musik kaufen, müssen sie falsch sein. Dass “Gottes Reich” (dein Reich komme) nichts mit einem “Dritten Reich” zu tun hat... Geschenkt. Differenzieren? Nachdenken? – Schwierig geworden. In einem Artikel über die Razzia bei einem 14-jährigen in meinem Nachbarort musste ich diese Woche lesen: “Die Gegend dort um Haiger, Dillenburg, Herborn ist auch sehr religiös fundamentalistisch geprägt. Die AfD ist dort sehr stark vertreten und hatte in der Vergangenheit nie Berührungsängste mit rechtsextremen Gruppierungen.” AfD, religiöse Fundamentalisten (offensichtlich bin ich da mitgemeint), Anschlag auf Homosexuelle – alles eine Suppe.
Was mich an der Reaktion von Christen wundert. Viele Christen reagieren nicht mit Klarheit – sondern mit Gegeneifer. Man folgt plötzlich Kanälen wie „Ketzer der Neuzeit“ oder „Clownswelt“. Oder lässt sich von rechtem Denken anziehen, als Gegengewicht zum „linken Mainstream“. Nachdenken, Innehalten, sich hinterfragen wird seltener. Es gibt eine Sehnsucht nach einem “Christlichen Abendland”, nach “Zeiten wie früher”. Erschreckenderweise auch “wieder zu den Waffen zu greifen”. Ich habe mind. 10 Insta-Accounts von Menschen in den letzten Wochen gesehen, die sowohl ein Kreuz in der Bio hatten, als auch altdeutsche Schrift, irgendwelche Kreuzritter-Symbolik und Kampfrhetorik im Feed. Ein missionarischer Auftrag fremde Nationen mit dem Evangelium zu erreichen, wird bei Missionaren in Afrika gefeiert, während man zeitgleich in Deutschland möglichst einen Bogen um andere Kulturen macht. Scheint mir nicht gerade der Jesus-Weg zu sein.
Wie können wir als Christen mit den wachsenden Spannungen umgehen? Im Hebräerbrief in der Bibel gibt es einen Vers, der uns auffordert, dem Frieden nachzujagen (Hebräer 12,14). Frieden bedeutet nicht Kontrolle. Nicht Sicherheit und Hoffnung in einer Partei zu suchen. Nicht Macht.
Unsere Algorithmen und Medien locken uns an die Ränder. Ich würde sagen, ein sehr praktischer Schritt zum Frieden könnte sein zu fragen: “Wo lag ich zuletzt falsch? Was sehe ich grade zu extrem?” Das ist der erste Schritt in die Mitte. Dort regieren keine Ideologien – sondern eine Person: Jesus Christus, der Friedefürst. Unser Heil liegt in ihm und nicht in Parteien. In seiner Nähe dürfen wir das Gute füreinander geben, besonders denen, die es nicht verdienen. Dort dürfen wir nicht nachtragend sein. Sondern die andere Wange hinhalten. Wir lernen diskutieren, ohne uns zu trennen. Und was noch wichtiger ist: an seiner Hand – durch sein Evangelium und durch die Freiheit, die er uns gegeben hat – gibt Jesus uns auch die Kraft dazu, so “unmenschlich” und gegen den Zeitgeist zu handeln. Das ist glaub ich das, was unsere Gesellschaft von Christen heute braucht. Das ist der Jesus-Weg zwischen links und rechts. Zwischen progressiv und konservativ. Ich finde, es ist ein weiser Weg. Wenn wir Gegner an einen Tisch bringen. Und uns selbst dafür hingeben – und vielleicht auch ein Risiko eingehen. Nämlich von beiden Seiten “einzustecken”. Dieser Jesus-Weg lädt zur Umkehr ein – auch mich.